Jens: Die Wetteraussichten haben uns die Entscheidung leicht gemacht uns noch weiter im Süden der Vereinigten Staaten aufzuhalten. Der Norden ist zunächst noch tabu – auch hier wartet man auf den Frühling. Da wir schon an der Ostküste sind, war die Wahl der Richtung klar – GO WEST!
Eine gute Wahl - wie sich gezeigt hat. Unser Ziel ist M 2P 4I 4S - oder einfach auch Mississippi! Dabei steht nicht der Bundesstaat im Fokus, sondern der legendäre Mississippi River. An dessen Mündung liegt das nicht minder bekannte New Orleans, das schon auf unserer ersten USA Runde eigentlich auf der Bucket List stand...
Im Nord-Osten Floridas angekommen gönnen wir uns einen Blick auf die Wetterkarte. Gerade wenn man mit dem Motorrad unterwegs ist, sind die Temperaturen ja nicht so ganz unwesentlich. Tja und wer sich das Bild anschaut wird wohl eine ähnliche Route wählen wie wir es getan haben.
Also ab in den Westen – die Südstaaten warten auf uns. Doch die Fahrt quer durch Florida ist öde – dort ist wirklich nichts, überhaupt nichts, also rein gar nichts.... Naja – bis auf vorübergehende arktische Kälte vielleicht. Denn obwohl wir hier im Bundesstaat des ewigen Sommers sind, haben wir am Morgen 3 Mal in Folge Eis auf den Sitzbänken.
Als wir dann aber wieder an die Küste kommen ändert sich alles schlagartig – auf jeden Fall wird es auch wieder wärmer. Zunächst fahren wir in ein Waldgebiet ein, dann nach einer Linkskurve sehen wir das Meer und fortan geht es immer die Küste entlang. Nur die Bären-Warnschilder kommen uns seltsam vertraut vor.
Hier finden wir das Stückchen Florida, das uns am Besten gefällt. Recht dünn besiedelt und etwas verschlafen – aber genau das ist nach unseren Geschmack. Das Meer verlieren wir über viele Stunden nicht aus den Augen. Immer wieder tauchen die Rückenflossen von Delphinen aus dem Wasser und es scheint, als würden sie uns begleiten...
Die Ortschaften, die wir an diesem Küstenabschnitt passieren, sind wie aus einem alten kitschigen US-Streifen der 60er und 70er Jahre. Es wirkt verschlafen und alles etwas eingestaubt. Aber uns gefällt das.
In den kleinen Fischerorten liegen alte Fischkutter im Hafen und je Ort findet sich auch ein Seafood Restaurant. Ja wirklich nur eins, denn hier lebt ein Restaurant vorwiegend von den Einheimischen – allzu viele Touristen scheinen sich hier nicht her zu verirren. Da der Küstenabschnitt für seine Shrimp-Fischerei bekannt ist, lassen wir uns auch nicht lange bitten und gönnen uns mal eine ordentliche Portion Shrimps nach Art des Hauses – LECKER !
Auch die Campgrounds machen in diesem Teil Floridas keine Ausnahme. Einfach, etwas hemdsärmlig aber extrem sympathisch empfängt uns der Indian Pass Campground. Unser Zelt schlagen wir auf einem Logenplatz auf und das Dinner nehmen wir beim „Get-together“ an der Rezeption ein – zu richtigen Zeit am richtigen Ort. Wir „armen“ Mopedfahrer werden eingeladen und so bedienen wir uns gratis an dem üppigen Buffet.
Im Gegenzug erzählen wir etwas von unserer Reise und sehen immer wieder in ungläubige Gesichter, wenn wir erzählen, dass Mexiko gar nicht so gefährlich ist wie man sich hierzulande erzählt.
Den Sonnenuntergang genießen wir dann bei angenehmen Temperaturen vor unserem Zelt.
Dann sind wir auch schon raus aus Florida. Es geht mal wieder über eine der zahlreichen Brücken hier an der Küste und schwups sind wir in Alabama. Dem Staat vor dem uns schon einige Amerikaner gewarnt hatten – dort soll vieles anders sein. Wir können uns aber nicht mehr genau daran erinnern, was es genau war wovor man uns warnte...
Wenn wir Alabama hören, erinnert uns das an Alaska, denn dort haben wir Toni „The squirrel man“ kennen gelernt, er kam aus Mobile, Alabama. Er war auf dem selben Campground wie wir und sprach auch diese seltsame Sprache, die angeblich etwas mit englisch zu tun haben soll - wir haben ihn schon in Alaska nie richtig verstanden und genau so geht es uns jetzt hier mit seinen Landleuten – der Südstaatenslang ist wirklich sehr gewöhnungsbedürftig.
Seinen Namen hat sich Toni verdient, indem er im Morgengrauen mit einer Steinschleuder bewaffnet auf die Jagd ging. Er erlegte ein squirrel – also ein Eichhörnchen. Das landete zum Frühstück dann gleich im Topf! Diesen Anblick werden wir nie vergessen.
Tja und jetzt sind wir in der Heimat von Toni „The squirrel man“. Wir sehen einige Werbeschilder, man solle doch die Küche der Südstaaten probieren – sie sei berühmt! Wir sind zwar schon Experimentierfreudig, aber mit unseren bisherigen Erfahrungen...
Als der Magen knurrt und sich die Einkaufsmöglichkeiten aufgrund des Osterfeiertages doch etwas in Grenzen halten, ist McD unser „sicherer Hafen“. Neben einem „geschmacksneutralen“ Burger hat diese Restaurantkette auch immer den Vorteil, dass es hier eine ganz brauchbare Internetverbindung gibt. Und so suchen wir den nächsten Statepark für die Nacht und schreiben noch ein paar Emails. Auch hier gehört wieder viel Phantasie dazu die wirklich netten Jungs bei McD zu verstehen und das war es wovor wir gewarnt wurden – die Südstaatler sprechen sehr seltsam. Selbst Amerikaner aus anderen Bundesstaaten tun sich hier schwer...
Dann geht es hinein in den Staat der wohl als Inbegriff für die Südstaaten zu sehen ist – Mississippi. Auf der Interstate sieht man wenig vom Südstaatenflair, also verlassen wir die mehrspurige Straße und suchen uns einen Weg durchs Hinterland. Südstaatenvillen wie aus dem Bilderbuch säumen unseren Weg.
Wirklich nett hier und wir sind froh in ein paar Tagen nochmals mehr von diesem Bundesstaat zu sehen, denn schon am nächsten Morgen geht es weiter nach Louisiana.
Wir schlagen unser Zelt für diese Nacht gratis im National Forest auf. Der Platz ist richtig schön, Feuerholz findet sich im Wald, ein kleiner See, Feuerstelle und absolute Ruhe...
Nach unserem „Angekommen-Kaffee“ ziehen dann aber dunkle Wolken auf. In der Ferne hören wir es donnern und so packen wir schnell zusammen. Wir werfen noch schnell einen kritischen Blick auf unseren Zeltplatz, ob er denn einem Gewitter gewachsen ist? Wir sind der Meinung JA! Auf einer Anhöhe, weit genug entfernt von „ästewerfenden“ Bäumen und einer schönen Aussicht. Also ab ins Zelt und das Treiben beim einsetzenden Regen beobachtet...
Aber es sieht nicht gut aus, was sich da abspielt. Es donnert und blitzt am laufenden Band, es schüttet wie aus Eimern und es ist wirklich kaum noch Land in Sicht...
Der Wasserstand auf dem extrem lehmigen Boden steigt, Äste und Tannenzapfen fliegen umher und der Regen prasselt lautstark auf unser Zelt während der Wind heftig an ihm rüttelt.
Das könnte jetzt der Moment sein, in dem man beginnt sich Sorgen zu machen...
Unser Zelt ist zwar von oben her dicht, aber so langsam sollte es besser zum Schlauchboot mutieren.
Um es kurz zu machen – wir saufen mal so richtig gepflegt ab! Die Matten, Schlafsäcke und sonstiger Kram im Zelt beginnt damit seine Seepferdchen Prüfung zu absolvieren. Das Wasser drückt von unten ins Zelt, es fühlt sich an wie Campen im See. Alles schwimmt und wir fragen uns „Und nun...?“
Aber das Wetter ein Einsehen und der Regen lässt nach, es folgt aber eine etwas ungemütliche feuchte Nacht. Der Morgen ist auch nicht viel besser, alles ist nass als wir zusammen packen. Das war nun aber erst das zweite Mal auf der Reise, dass uns die Romantik des Zeltens nicht so ganz in ihren Bann gezogen hat.
Doch dann haben wir unser Ziel erreicht – New Orleans. Für diese Stadt haben wir uns von Florida Richtung Westen auf den Weg gemacht – ein Abstecher von rund 1.000 km. Wir waren neugierig und gespannt, ob dort tatsächlich der Jazz zu Hause ist, der Mississippi von Raddampfern bevölkert ist und was aus der Stadt nach dem Hurricane Kathrina 2005 geworden ist... Lauter gute Gründe die Stadt zu besuchen.
Hier nennt man es NOLA - wie New Orleans LouisianA
Und ja – alle unsere Vorurteile wurden bestätigt. Improvisationsmusik vom Feinsten, aber nicht nur Jazz – Rock und Blues sind genau so vertreten. Nahezu jede Bar – und es gibt im French Quarter unzählige davon – bietet Live Musik. Eine Band an der anderen... Dazu ein buntes Leben auf der Straße – gerade nach Sonnenuntergang wird es lebendig. Wir haben schon einige Amüsiermeilen auf unserer Reise besucht – meist waren wir enttäuscht – doch New Orleans überzeugt uns!!!
Dass Kathrina hier 2005 die Stadt nahezu vollständig unter Wasser gesetzt hat, ist der Stadt im Zentrum heute nicht mehr anzumerken.
Doch in den Außenbezirken sind noch einige Ruinen zu sehen. Viele Häuser wurden damals verlassen und aufgegeben, heute stehen sie wie ein Denkmal an die Katastrophe inmitten der wieder neu aufgebauten Häuser.
Diese Bilder sind bedrückend und erinnern immer wieder an die geographisch ungünstige Lage der Stadt – unterhalb des Meeresspiegels in einer Hurrikane gefährdeten Region und stetig sinkt die Stadt etwa 8mm pro Jahr weiter ab...
Neben der Musik und dem Mississippi River ist auch der Voodoo Kult in der Stadt allgegenwärtig. Vom kitschigen Souvenirladen mit Voodoo Puppen bis hin zum echt skurrilen „Voodoo-Tempel“ findet man hier alles. Geistertouren, Wahrsager und sonstige abgedrehte Veranstaltungen gibt es hier.
Irgendwie echt schräg die Stadt, aber es gefällt uns hier. So eine Nacht im French Quarter geht viel zu schnell vorbei - eine der wenigen Städte auf unserer Reise, die wir sicherlich später nochmals besuchen werden.
Doch es wird Zeit für uns Kurs Nord einzuschlagen. Wir entschließen uns dem Mississippi River zu folgen. Erwartungsvoll machen wir uns auf den Weg mit den Geschichten von Tom Sawyer und Huckleberry Finn im Kopf...
Doch wir werden bitter enttäuscht – der Mississippi River ist heutzutage eine Wasserstraße wie der Rhein und wird von hohen Deichen im Zaum gehalten. Wobei der Charme der Loreley dem des Mississippi um einiges überwiegt. Die Romantik des Mississippi River suchen wir vergeblich...
Aber die Fahrt ist nicht so schlecht, entlang des Deiches geht es zumindest in sanften Kurven Richtung Norden. Mal Neben dem Deich und mal auf dem Deich. Doch selbst auf dem Deich bietet sich nur selten eine Aussicht auf den Fluss. Meist sehen wir die Überschwemmungsgebiete: riesige Waldgebiete in den der Mississippi genügend Platz hat sich bei Bedarf auszubreiten – und den scheint er im Frühling zu haben....
So sind wir ruck zuck in Natchez, einer Stadt am Mississippi. Hier zweigt eine Straße ab, der wir uns die nächsten Tage annehmen möchten – der Natchez Trace Parkway! Auf 444 Meilen führt diese Nationalpark ähnliche Straße quer durch Mississippi, einen Teil Alabamas bis hinauf nach Nashville, Tennessee. Der Parkway ist für kommerziellen Verkehr gesperrt, also eine echte „Touring Oase“.
Doch jetzt ist erst mal Sonntag Nachmittag, wir sitzen bei Mc Donalds auf einen Kaffee und laden diesen Blog auf unsere Seite. Genächtigt wird heute wahrscheinlich im benachbarten State Park und morgen geht es dann für die nächsten Tage über den Natchez Trace Parkway Richtung Nashville – wir sind gespannt.
Ach ja, nachdem wir in den letzten Tagen – oder sogar Wochen – auch etwas mit dem verspäteten Frühlingsanfang zu kämpfen hatten, ist er nun bei uns angekommen. Bestes Wetter, 22 Grad und das satte Grün des Frühlings – ist das eine geile Jahreszeit!
Wir wünschen Euch zu Hause auch einen baldigen Frühlingsanfang und genießt ihn – der Frühling ist sehr kurz!
Ludwig (Montag, 08 April 2013 13:31)
Hallo ihr zwei, wieder mal ein sehr schoener Bericht. Ja, der Dialekt in den Suedstaaten der USA koennte vergleichbar sein mit Norddeutschland u. Bayern. Wenn ein Berliner und ein Bayer miteinander sprechen wollen, brauchen sie einen Dolmetscher. Cheerio & alles Gutes.
chris (Montag, 08 April 2013 14:02)
beneide Euch so. Hier ist depri-Wetter, keine Zeit zum rausgehen und wenn Zeit keine Lust dazu.
Schöner Bericht wieder, der Sehnsüchte in einem weckt.
Alex Mayer (Montag, 08 April 2013 17:13)
man sollte sich "rüberbeamen" können...
harald (Mittwoch, 10 April 2013 09:20)
alabama,mississippi,louisiana the real america .awesome have fun.
die duese's (Donnerstag, 11 April 2013 17:38)
Hallo ihr Zwei,
schöner Bericht der einem wieder mal zum Träumen bringt.
... und so einen Abend draußen (bei erträglichen Plusgraden!) auf 'ner Ämüsiermeile würde uns auch mal wieder gut tun ;-).
Euch weiterhin gute Fahrt und bis demnäxx!
Anni & Andreas
Susanne Vielhauer (Dienstag, 16 April 2013 15:51)
Jetzt ist der Frühling endlich auch hier, in seiner ganzen Pracht und mit herrlich milden Temperaturen angekommen und gibt mir die Gelegenheit, Euren faszinierenden Etappenbericht wenigstens entspannt und gemütlich in der Wiese, in Gottes freier Natur, nachzuverfolgen...
Und wieder ein "LIKE" für Euch!